2013/04/30

Bodo #045: Steinmetz, Aszendent Kuhhaut



Liebes Bodo,

laut einer aktuellen Umfrage des renommierten Meinungs- und Wahlforschunginstitutes "infratest dimap" halten 70 Prozent der Deutschen den ehemaligen Profifußballer und amtierenden Würstchenfabrikanten Ulrich Hoeneß für ... menschlich.
18 Prozent sind anderer Meinung, der Rest enthält sich.

Szenenwechsel:
10 zu 70 Prozent als menschlich identifizierte Menschen versammeln sich um eine Ulme und werden von einem renommierten Meinungs- und Wahlforschungsinstitut gefragt, ob sie die sich vor ihnen in den blauen Sommerhimmel erstreckende Ulme für "pflanzlich" halten.
7 anwesende Abstimmungsberechtigte votieren dafür, 2 dagegen, einer ist sich mit sich selbst uneins und verweigert die Aussage.

Welche Folgen hat dieses Szenario nun für Ulrich Hoeneß? Welche Auswirkungen hat die Umfrage bezüglich Herrn Hoeneß auf die transsibirische Eisenbahn?
Würden sich 10 Ulmen um einen Eisenbahnwaggon versammeln und von einem renommierten Meinungs- und Forschungsinstitut gefragt, ob sie das friedlich vor sich rostende Schienenfahrzeug für "hoeneß" halten, wie viele zu 18 Prozent als nicht-menschliche Menschen identifizierte Gebührenzahler wären bereit, sich Günther Jauch in der ARD anzusehen, in voller Länge und ohne den Kanal auch nur ein einziges Mal für kurze Zeit zu wechseln?
70 Prozent der Abstimmungsberechtigten antworteten auf diese Frage:
18 Prozent.


Manchmal stelle ich mir vor, das renommierte Meinungs- und Forschungsinstitut "infratest dimap" riefe mich persönlich unter meiner Rufnummer zuhause an und stellte mir die Frage, ob es mir in Person einer jungen Frau mit Aushilfsjob und ohne Zukunft ein paar Fragen zum aktuellen Zeitgeschehen stellen dürfe. Ich erläube die Fragen, verwähre jedoch jedwede Antwort. Am Ende einer Umfrageroutine voller Enthaltungen würde ich noch zu meinen persönlichen politischen Präferenzen befragt, um meine Ansichten repräsentativ einordnen zu können. Natürlich säge ich die Unwahrheit aufgrund einer akuten Repräsentationsaversion und behäupte, ich sei Mitglied der NPD.
Ob ich Nazi sei, früge mich die junge Frau, je nach emotionaler Grundstimmung entweder zynisch verstimmt oder naiv erschrocken oder freudig erregt. Ich äntwörtete: "Nein, ich bin nicht Nazi. Ich bin Steinmetz, Aszendent Kuhhaut".
Weiter ginge die ohnehin unspannende Fantasie nicht, da ich zu faul bin, mir eine krachende Pointe einfallen zu lassen.

Faulheit, süße Faulheit.
Nur noch wenige Menschen, zu welchem prozentualen Grad als solche identifiziert auch immer, bekennen sich zu dir. Und selbst diese vermögen nur noch zu etwa 18 Prozent, sich der Faulheit uneingeschränkt hinzugeben; Faulheit nicht nur theoretisch als Konzept zu akzeptieren, sondern sie auch in praktischem Vollzug zu zelebrieren, scheint eines der 3 großen wie auch letzten gesellschaftlichen Tabus zu sein. Die anderen beiden Tabus sind die Bekenntnis zum leicht erworbenen Reichtum und das genüßliche Schnüffeln am eigenen Darmsekret.
Ist Faulheit nicht die einzig logische Gegen(nicht)bewegung zum auf stetigen Wachstum ausgerichteten Kapitalismus? Der einzige Weg, das Wachstum zu bremsen, bevor es alle natürlichen Ressourcen in sich verschlungen hat, ist die Weigerung, sich weiterhin produktiv zu beteiligen.
Dummerweise liegt es nicht in der Natur der Faulheit, sich zu organisieren ... nach Höherem zu streben ... Macht zu ergreifen und somit Einfluß zu gewinnen. Deswegen muß jedes Individuum auf seine Art und mit seinen Mitteln den Weg zur Faulheit finden. Es wäre nicht weniger als offene Rebellion gegen System und Hoheitsvorgabe, sich der Faulheit zu verschreiben. Ein mutiger Schritt in die richtige Richtung.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum Faulheit nicht nur tabuisiert, sondern auch moralisch geächtet, sogar religiös verteufelt wird.
"Müßiggang ist aller Laster Anfang", so ein altes Sprichwort. Ob sich hinter diesen fragwürdigen Worten ein gewisser Wahrheitsgehalt verbirgt, hängt in Gänze von der Definition des Begriffes "Laster" ab.

Laster, im Sinne von ... BRUMM BRUMM BRUUUUUUUUUUUUUUUM HUUUUUPHUUUUUP ... ergibt durchaus Sinn.
Wer faul ist, mag nich gerne zu Fuß gehen. Wer faul ist und darüber hinaus noch ne Menge Zeuch zu transportieren hat, mag nicht gerne alles auf einmal schleppen, aber auch nich jedes Teil einzeln. Also wurde irgendwann der Laster erfunden.
Die Faulheit ist also im Wortsinne der Anfang aller Laster.

Laster, im Sinne von "Todsünde":
Stolz, Neid, Völlerei, Geiz, Trägheit, Zorn, Wollust.
Jaaaaaaaa, also ..... wie Faulheit zu Stolz führen kann, gerade in unserem kulturellen Umfeld, erschließt sich mir nicht. Stolz ist man auf das Erreichen eines Ziels, eine Leistung .... so ziemlich das absolute Gegenteil von Faulheit. Man könnte argumentieren, daß die bemitleidenswerte Volksgruppe, die Stolz empfindet wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe oder Zugehörigkeit zu einem Fußball-Fanclub, zu ebendiesem Stolz nur aufgrund unheilbarer Denkfaulheit gekommen sein kann. Andererseits ist Stolz als Charaktereigenschaftsprinzip gerade in diesen Kreisen durchaus positiv besetzt ... also eben KEIN Laster, sondern Ergebnis von Überzeugung, welche sich wahrscheinlich auch durch ausmerzend anstrengende Denkprozesse nicht ohne Weiteres ausrotten lassen würde.
Neid entsteht - meiner bescheidenen Ansicht nach - durch Konkurrenzdenken. Die Faulheit steht der Genügsamkeit näher als dem Neid ... man gibt sich eher mit dem zufrieden, was man hat als durch falsch verstandene Zielstrebigkeit (unendliches) Wachstum des eigenen Wohlstandes erreichen zu suchen.
Völlerei kann man sicherlich am ehesten mit Faulheit in Verbindung bringen, wenn auch weniger in Verbindung mit Freßsucht, sondern insbesondere als Ausdruck von Bewegungsmangel. Ein Mißverständnis, das sich schwerlich ausrotten lassen dürfte.
Geiz als direkte Folge von Faulheit kann durch akute Geldnot aufgrund chronischer Leistungsverweigerung entstehen. Jedoch sehe ich, ähnlich wie beim Stolz, Geiz in dieser Gesellschaft eher als Tugend begriffen denn als Laster. Und wie wir alle wissen, sind es in erster Linie die sogenannten "Leistungsträger", die zu geizig sind, Steuern zu entrichten, vertraglich garantierte Prämien vernünftigerweise auszuschlagen etc.
Trägheit als Folge von Faulheit? Oder andersrum? Erst die Henne, dann das Ei? Einerlei.
Zorn??? Öhm ... nein. Faule Menschen sind selten zornig. Viel zu anstrengend.
Wollust???? Dat is ja NOCH viel anstrengender als Zorn! Klar, auch faule Menschen ficken ... aber doch eher trotz ihrer Faulheit ... und nicht deswegen.
Alles in allem taugt Müßiggang demnach nicht wirklich als Ursprung allen Übels, zumal Beschaffenheit sowohl das "Übels" als auch die des "Müßigganges" nicht abschließend definiert werden können.

Laster, im Sinne von Kant ... Faulheit, Feigheit und Falschheit?!?
Ich empfinde die Faulheit als die mit großem Abstand ehrlichste Eigenschaft menschlichen Empfindens ... feige und falsch ist nicht derjenige, der die Faulheit lebt, sondern derjenige, der sie verbirgt, unterdrückt, mißachtet ... damit andere nicht schlecht über ihn denken.
Faul zu sein, mit Inbrunst und Hingabe, ist mutig, nicht feige ... ist ehrlich, nicht falsch ... und faul. Ok. Faulheit ist Faulheit. Daran führt wohl kein Weg vorbei.
Wer also um seine Seele fürchtet, weil Faulheit an sich ein Laster ist, kann sich den Vorzügen der Faulheit nicht oder nur unter großem Streß hingeben.
Streßige Faulheit ist ein Widerspruch in sich ... ein Paradoxon ... eins dieser Dinger, die das Universum auffressen, würde Doc Brown jetzt sagen.
Also bitte, liebe Leser, lassen Sie den Kosmos heile und gehen Sie arbeiten, wenn Sie nicht mit gutem Gewissen zu entspannen vermögen. Sehen Sie jedoch nicht mit Neid, Zorn, Geiz und Stolz auf jene hinab, die sich dem Drang zur Emsigkeit nicht verpflichtet sehen.
Sonst beschreiten Sie irgendwann zwangsläufig den Pfad zur dunklen Seite der Macht. Sie wissen genau, was das bedeutet ..... nicht wahr?

...
Richtig. Asthma.
Asthma, Ganzkörperschleier und überaus schwierige Familienverhältnisse.

Neeeee. Wär ich an Ihrer Stelle echt zu faul für!


In gähnende Ermüdungswonne verwoben,
Ihr du ihm sein Samuel

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