2019/11/14

Bodo #128: The Problem With Power

Liebes Bodo.

Was kann schief laufen zwischen Mutter und Kind?
So ziemlich alles, sagt Murphy ihm sein Gesetz.

Dies kann ich bestätigen.
Heute ist der 14. November 2019. Morgen Nachmittag wird meine Mutter beerdigt. 
Etwa 500 Meter Luftlinie von diesem PC entfernt, auf demselben Friedhof, der auch dem Rest ihrer Sippe als letzte Ruhestätte auserkoren wart.
Die Trauerfeier beginnt gegen 14.30 Uhr.

Ohne mich. Natürlich.



 



Meine Schwester, die einzige Person meiner bis ins Mark verdorbenen Blutlinie mütterlicherseits, mit der ich noch Kontakt pflege, ist ziemlich sauer auf mich. Hätte mich zu Mutters Lebzeiten annähern müssen. Das anonyme Kriegsbeil begraben. Ihr die qualvollen Sorgen und Vorwürfe mich betreffend nehmen, oder diese zumindest bestätigen. Einen sauberen Schnitt machen.

Diese Sichtweise wird die absolute Mehrheit der Bevölkerung mit ihr teilen, unabhängig vom Kontext, aus Prinzip, da der/die/das Todkranke generell einen Freibrief erhält für Alles und Überhaupt.


"You labeled me, I'll label you; so I dub thee unforgiven" 
~ Metallica

Pathetischer Schwanz-Rock, der den Schwanz wie auch den Rock unheimlich häufig auf den Punkt bringt.
Die Vernichtung von Charakter, Lebensfreude und Gesundheit war eine gegenseitige; wir sind quitt, sofern ich diesseits der 60 ins Gras beiße.
Sollte sich machen lassen, auch ohne zielgerichtete Anstrengung.

 
Meine Mutter heiratete jung, schied die Ehe nicht wesentlich älter und heiratete erneut. Die hat 2 Kinder geboren, jedem Ehemann das Seine, war den größten Teil ihres Lebens hauptberuflich Hausfrau, mit Ausnahme einiger Nebenjobs jeweils zu Beginn und nach Verwelken ihrer körperlichen Fruchtbarkeit. Sie liebte Elvis, Queen und die Beatles, war begeisterte Free-TV-Cineastin, Gelegenheits-Tänzerin und Vollzeit-Junkie der üblichen Volksdrogen Tabak, Alkohol und Zwischenmenschlichkeit. Sie bemühte sich stets um das Wohl ihrer Familie, Freunde, Nachbarn; sogar Fremden gegenüber war sie aufgeschlossen, trotz ihrer geistigen Nähe zum politisch rechten Rande.
Atheistin aus Überzeugung, Befürworterin der Homo-Ehe, Antisemitin, Hanfgegnerin ... ihr Verstand hielt eine Menge Widersprüche im Zaum, wie es ihren Mitmenschen zu Eigenart und meiner Mutter zu persönlicher Genugtuung gereichte. Schon mit Anfang 30 verdammte sie ihr gebrechlicher Leib zu chronischem Schmerzpatientinnen-Dasein aufgrund einer rheumatischen Erkrankung, gefolgt von Osteoporose mit Anfang 40, unheilbare Leber- und Nierenschwäche auf Höhe 55. Schmerzen waren ihr nicht fremd.

Körperliche Züchtigung gab es bei ihr nicht. Gemordet oder vergewaltigt hat sie auch nicht. Kein Haar krümmte sie mir oder sonstwem. Ihre Weltsicht behielt sie in der Regel für sich. Wer sie gut genug kannte, um sie hinreichend verachten zu können, unterließ dies normalerweise aus freien Stücken zugunsten des Gegenteils. Ihr Ruf war besser als ihr Nudelsalat ... und das war ein verfickt leckerer Nudelsalat! Der Beste meines Lebens.

Gegen Attacken von außen hat sie mich immer verteidigt; wie die Löwin vor ihr Jungtier geworfen und gebrüllt, jedes einzelne Mal.

Sie war die beste Mutter, die sie hat sein können.
Ist mir bewußt.
Sie trägt keine Schuld.
Ich kann ihr nicht vergeben.

"And I cry to the alleyway, confess all to the rain. But I lie, lie straight to the mirror ... the one I've broken to match my face."
~ Still Metallica

 "Der Junge mit dem Hund von Monika!"
NEIN, MAMMAAA, DAS HEIßT MUNDHARMONIKA.
"Komm, wir hören es uns nochmal an.
...
Der Jungäää mit dem HUND VON MOOONIIIKAAA!"
NEIN, DAS STIMMT NICHT! NEIN NEIN NEIN!

Gerne hat sie ihre Kinder verarscht. Immer liebevoll, nie herablassend oder gemein. Keinen ihrer Scherze hat sie zu weit getrieben.
Mit einer unfassbaren Geduld hat sie sich auf dem einzigen Fernseher im Haus Folge um Folge "He-Man And The Masters Of The Universe" angesehen und vorallem -gehört, was sicherlich nicht zur Festigung des Nervenkostüms hat beitragen können.
Woche um Woche Frühstück, Hausaufgaben, Aufstand der ungewaschenen Krawallisten im Kinderzimmer, Waschen von Wäsche, Putzen von Dreck, Beseitigung von Chaos, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Sowas bricht auf Dauer jeden zurechnungsfähigen Verstand.

Wie schon erwähnt, wir haben uns gegenseitig gebrochen.
Sie der Rockstar, ich der Schlappschwanz.
Die Wunden, die sie mir zufügte, sind bis heute nicht geheilt und werden dies wohl nie. Das ist eine Tatsache.
Tatsache ist auch, daß meine Schwester dieselbe Erziehung in derselben Umgebung erlebt hat, ohne sich dieselben Wunden zuzuziehen.

Ich bin schwach. War ich schon immer.
Sie hat das wohl unterschätzt. Ist ok.
Sie trägt keine Schuld.

Am Abend des 17.10.2019 stürzte meine Mutter volltrunken ... auf dem Parkplatz des Lokals, in welchem zuvor ihre Geburtstagsfeier stattgefunden hatte. Multiple Beckenbrüche in Kombination mit Leberzirrhose im Endstadium ließen ihren Körper seine Arbeit nach kurzem Aufenthalt im Krankenhaus endgültig einstellen.

Als meine Katze starb, etwa 2 Monate zuvor, fühlte ich größeren Verlust.
Noch eine Tatsache.
In dieser Geschichte bin ich der Böse. Ich bin es gern.
Weil ich nicht mehr bereit bin, mich schlecht zu fühlen ODER gut, nur um das ästhetische Empfinden anderer in dessen krankhafter Makellosigkeit zu bestätigen.

Wir sind quitt, Mama.
Wir müssen uns nicht vergeben.
Weil wir einander nie geschont haben.
Gleiches wurde mit Gleichwertigem vergolten.

Wir können uns jetzt loslassen.

Also ... ich kann loslassen.
Dir bleibt keine Wahl.

Doch sorge dich nicht.
Auch dieses letzte bisschen Ungleichgewicht erfährt faire Vergeltung.
Versprochen.





 
With that being said ...



GET THE FUCK OUT OF MY HEAD, BITCH!




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